Berliner Zeitung | Fr 26.08.2014 | Spanplatte statt Lochblech

Trotz gerichtlicher Auflagen an die Eigentümerin verfallen in Grünau die Ausflugslokale Gesellschaftshaus und Riviera weiter von Karin Schmidl

Link zu Artikel

Notdürftig mit Spanplatten abgedichtet sind die Fenster vom Gesellschaftshaus an der Regattastraße. Durch kaputte Fenster dringt aber weiter Feuchtigkeit ein. Foto: dpa/Manfred Krause

Notdürftig mit Spanplatten abgedichtet sind die Fenster vom Gesellschaftshaus an der Regattastraße. Durch kaputte Fenster dringt aber weiter Feuchtigkeit ein. Foto: dpa/Manfred Krause

Für Bernd Hamm steht fest: „Die Eigentümerin der Ausflugslokale Riviera und Gesellschaftshaus hält uns alle zum Narren, sie will die beiden Denkmäler gar nicht erhalten.“ Bernd Hamm wohnt im Köpenicker Ortsteil Grünau. Seit Jahren müssen er und seine Nachbarn mit ansehen, wie die Ausflugslokale Riviera und Gesellschaftshaus, in denen seit 1890 rauschende Feste gefeiert wurden, vor sich hinrotten.

Der Saal für rauschende Feste im Gesellschaftshaus um 1900. Foto: Museum Köpenick

Der Saal für rauschende Feste im Gesellschaftshaus um 1900. Foto: Museum Köpenick

Eigentümerin der Gebäude und des rund 12.000 Quadratmeter großen Grundstücks am Ufer der Dahme ist seit 2006 eine Unternehmerin aus Ankara. Was sie mit dem Grundstück vorhat, ist unklar. Weil sie nichts tat für den Erhalt der denkmalgeschützten Gebäude, forderte der Bezirk Treptow-Köpenick sie zu substanziellen Sicherungsmaßnahmen auf. Einsprüche aus Ankara gegen diese amtliche Anordnung wurden vom Berliner Verwaltungsgericht abgelehnt. Ende Mai kam es zur Hauptverhandlung vor Ort, bei der ein Richter keinen Zweifel daran ließ, dass er die Sicherungsanordnung bestätigen werde. Nach mehrstündigen Gesprächen einigten sich Eigentümerin und Bezirksamt dann auf einen Kompromiss: Die Gebäude werden gegen weiteren Verfall durch die Eigentümerin gesichert, dafür stimmt der Bezirk einer Mediation über alle künftigen Arbeiten zu.

Frist wurden nicht eingehalten

Bis Anfang Juli hatte die Eigentümerin beziehungsweise ihr Bruder als Vertreter vor Ort Zeit für die Arbeiten. Geschehen ist bis heute fast nichts, wie Anwohner Bernd Hamm beklagt: „Die kaputten Fenster sind mit Spanplatten geschlossen und dann mit Bau-Schaum versiegelt worden.“ Vorgegeben war, dass sie mit speziellen Lochblechen gesichert werden, die eine Luftzirkulation gewährleisten. Durch die unsachgemäßen Arbeiten würde jetzt noch mehr Schimmel und Fäulnis im Innern bewirkt, sagt Hamm. Auch die vereinbarte Sanierung der Regenrinnen, die Abdichtung des kaputten Daches und die Entfernung von eingewachsenen Pflanzen aus dem Mauerwerk sei nicht geschehen, wie Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) mitteilt. Er sagt: „Wir sind sehr enttäuscht, dass die Eigentümerin ihre Zusagen nicht eingehalten hat.“ Im Gegenteil: Gegen die jüngste Anordnung des Bezirks, den noch vorhandenen Stuck im Saal der Riviera abzunehmen und sicher aufzubewahren, sei Widerspruch eingelegt worden.

28229196

Der Saal für illegale, morbide Partys im Gesellschaftshaus 2014. Foto: Berliner Zeitung/Markus Wächter

Der Bruder der Eigentümerin, der Unternehmer Selahattin Erdem, der in Potsdam ein Unternehmen leitet, war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Beim Ortstermin im Mai hatte er sich über die Anordnungen beklagt. Er sagte damals: „Als wir die Gebäude 2006 von der Treuhand kauften, waren sie schon stark beschädigt. Warum wird erst auf uns Druck ausgeübt, etwas zu tun?“ Die Antwort des Bezirks damals wie heute lautet: 2006 gab es Schäden an den Gebäuden, heute ist die Bausubstanz gefährdet.

Gefährdet ist jetzt aber auch die angestrebte Mediation zwischen Eigentümerin und Bezirk . Dabei soll ein speziell geschulter Richter mit beiden Seiten klären, welche Art der Wiederherstellung der Baudenkmäler für den heutigen Besitzer wirtschaftlich überhaupt zumutbar ist. Denn schon die Treuhand, die nach dem Mauerfall beide Traditionslokale übernahm, hat nichts in deren Instandsetzung investiert – so wie alle Interessenten nach ihr.

Der Bezirk will jetzt den Richter über das Nichtstun der Eigentümerin informieren und selbst die Sicherungsarbeiten bei Baufirmen beauftragen. Die Rechnung, mindestens 40 000 Euro, werde dann an die Eigentümerin geschickt. Für Anwohner Bernd Hamm und seine Nachbarn ist dafür höchste Zeit: „Noch einen Winter ohne Sicherung überstehen die Denkmäler nicht.“